Gemischte Filial- und Franchise-Systeme

Dr. Hubertus Boehm

Synthese beider Welten

Wer sich mit Franchising beschäftigt, kommt schnell zu der Überzeugung, dass ein Franchise-System beträchtliche Vorteile gegenüber einem Filialsystem besitzt. Nur so ist der seit Jahrzehnten andauernde weltweite Vormarsch des Franchising erklärbar.

Im Vordergrund steht das höhere Engagement des Franchise-Nehmers im Vergleich zum Filialleiter. Es ist logisch und unbestreitbar, dass der Einsatz von eigenem Kapital (in der Regel des gesamten Vermögens einschließlich geliehener Mittel) wesentlich stärker motiviert als ein Anreizsystem für Angestellte. Für den Franchise-Nehmer geht es um Sein oder Nichtsein. Bei einem Scheitern der Existenzgründung ist eine Wiederholung in der Regel nicht mehr möglich und sozialer Abstieg unvermeidbar. Was diese hohe Motivation bewirkt, wird deutlich am Beispiel von Filialisten, die bereits Filialen an frühere Filialleiter verkauft haben. Hier ergab sich im Handel bei unverändertem Standort, Kundenstamm und Sortiment ein bis zu 10 % höherer Umsatz, ein bis zu 15 % höherer Rohgewinn und eine um 50 % reduzierte Inventurdifferenz.

Abgesehen von der höheren Vertriebskraft kann der Systemgeber im Franchising ein marktweites Vertriebsnetz mit wesentlich geringerer Investition aufbauen als bei einer Filialisierung. Er konzentriert seine finanziellen Mittel auf die Entwicklung und ständige Optimierung wirkungsvoller Werkzeuge sowie die intensive Weiterbildung und Betreuung seiner Vertriebspartner. Nach dem Prinzip der graduellen Perfektionierung steigert er damit das unternehmerische Niveau sowie die Qualität des Marktauftritts und der Marktbearbeitung kontinuierlich.

Trotz dieser unübersehbaren Vorteile des Franchising entstehen im Markt zunehmend gemischte Filial- und Franchise-Systeme, und zwar aus zwei Quellen: Einerseits verdichten immer mehr Filialisten ihr Vertriebsnetz durch Franchise-Nehmer in potenzialschwächeren Gebieten. Teilweise „privatisieren“ sie auch Betriebe auf Grenzstandorten, die sich als Filialen nicht mehr rechnen, soweit dort ein Franchise-Nehmer aufgrund seines höheren Rohgewinns noch gut existieren kann. Darüber hinaus davon nutzen Filialisten Franchising zur internationalen Expansion, weil sie so bei geringerem Kapitaleinsatz neue Märkte relativ schnell abdecken können. Häufig geschieht das gemeinsam mit einem nationalen Joint- Venture-Partner. …