Das Handbuch als Werkzeugkasten für Franchise-Nehmer

Dr. Hubertus Boehm

Seit Jahren gehört das Thema „Franchise-Handbuch“ zu den Schwerpunkten bei Diskussionen über den Weg zum Aufbau eines Franchise-System. Die von der EU- Kommission erlassene Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vertriebssysteme verleiht dem Handbuch einen hohen Stellenwert im Rahmen des Franchise-Pakets. Nach dieser Verordnung ist das Handbuch nicht nur unverzichtbares „Werkzeug“ des Franchise- Gebers, sondern zugleich Indikator für die Seriosität eines Franchise-Systems. Er kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn der auf Dauer kaum vermeidbare Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer eintritt.

In Deutschland gibt es kein spezielles Franchise-Recht. Franchise-Verträge stützen sich in einzelnen Passagen auf andere Rechtsverhältnisse, wie Lizenzgewährung, Kauf und Dienstleistung. Diese „Rechtsmodule“ und die bisher noch wenigen Gerichtsurteile werden dem Wesen des umfassenden kooperativen Beziehungsgeflechts in einem Franchise-System nicht gerecht. Somit besteht rechtlich ein großer Freiraum ohne klare Orientierungspunkte. Dies gilt insbesondere für das ausgewogene Verhältnis von Geben und Nehmen. In dieser Situation bietet die Gruppenfreistellungsverordnung der EG-Kommission einem Orientierung suchenden Richter erstmals eine „Messlatte“ für seriöses Franchising. Obwohl die Verordnung formal nur für grenzüberschreitende Franchise-Systeme in der EU gilt, ist sie mangels anderer Leitlinien de facto auch zum Maßstab für rein nationale Franchise-Systeme geworden.

Der Merkmalskatalog der Verordnung für die vom Kartellverbot ausgenommenen Franchise- Systeme enthält u.a. einen (indirekten) Hinweis auf das Franchise-Handbuch. Damit wurde erstmals von einer hoheitlichen Institution festgelegt, dass ein seriöser Franchise-Geber sein geheimes Erfahrungswissen dokumentieren und dem Franchise-Nehmer auch in schriftlicher Form zur Verfügung stellen muss. …